Dienstag, 25. Dezember 2007

Weihnachten in Lima

Mein erstes Weihnachten in Lima. Letztes Jahr bin ich bereits in den Anden gewesen und habe lange vor Mitternacht versucht mit einer Soroche (Höhenkrankheit) zu schlafen.

Dieses Jahr bin ich also noch in Lima. Es sind 25 Grad und strahlender Sonnenschein. Wenn ich ehrlich bin fühlt es sich nicht wie Weihnachten an. Zu Weihnachten gehört Winter, Glühwein, Dunkelheit, vielleicht noch ein bisschen grauer Schneematsch aber definitiv kein strahlend-greller Sonnenhimmel.

Panetone
Vormittags mache ich noch ein paar Erledigungen, mittags in mein Lieblingscafe, wo ich incl. jedem meiner Besuche Stammgast bin. Hier schenken sie mir auch gleich einen kleinen Panetone.

Panetone ist eigentlich ein italienisches Gebäck aber hier gehört hier unter jeden Weihnachtsbaum. Das ist wie bei uns der Christstollen. Auch ich habe dieses Jahr auf der Arbeit auch meinen ersten echten Weihnachtspanetone geschenkt bekommen mit dem ich Stolz durch die Strasse nach Hause gelaufen bin. Die quadratische Pappschachtel-Verpackung ist nämlich so groß, dass diese auf keinen Fall in irgendeinen Rucksack passt.

Betteln hat Hochsaison
Weit komme ich nicht mit dem Panetone aus meinem Liebelingscafé. Betteln hat heute Hochsaison, gerade in meinem reichen Stadtviertel Miraflores. Eine fünfköpfige Kindergruppe kommt mir entgegen und sagen: „Colabórame“ (was so viel heißt wie „Arbeite mit mir zusammen" oder "hilf mir mit") und als ich nicht den Anschein erwecke als würde ich gleich Geld zücken, guckt einer der Kinder meinen Panetone mit großen Augen an. Also gut. Bitte schön! Mit einem freundlichen „Feliz Navidad“ schenke ich ihm meinen Panetone. An den anderen Bettlern laufe ich nun ohne weitere Gaben vorbei. Schon am Morgen kam ich mir echt schlecht vor, bepackt mit zwei wunderschönen Blumensträußen, einer für mich und einer für meine Nachbarn die mich heute Abend eingeladen haben. Wie so ein verwöhntes Gör bin ich an den ganzen Bettlern vorbei gelaufen.

Nachmittags laufe ich dann aber noch schnell bei Lourdes vorbei, der Bettlerin im Rollstuhl der ich immer zwei Zitronenbonbons für 5 Soles am Wochenende „abkaufe“, und schenke ihr einen kleinen Panetone und eine Schokolade. Sie freut sich riesig, auch meiner Obstfrau die mir immer Orangen, Mangos, Ananas, Cherimoyas und mehr verkauft, schenke ich auch einen kleinen Pantone, weil ich mich immer so freue dort vorbei zu laufen, sie zu grüssen und manchmal auch einen kleinen Schwatz zu halten.

Heilig Abend in Königswinter und Lima
Nachmittags habe ich dann in Deutschland angerufen und mit der Internetkamera meine Familie unter dem Weihnachtsbaum singen sehen und hören können. Allerdings habe ich gerade angerufen als die Weihnachtsglocke zur Bescherung klingelten. Die Begeisterung meiner kleinen Neffen hielt sich also in Grenzen mit ihrer Tante aus Lateinamerika zu telefonieren - erste Priorität galt den natürlich den Geschenken.

Abends bin ich dann bei meinen Nachbarn zwei Strassen weiter. Vicky habe ich mal morgens an der Bushaltestelle kennen gelernt, eine Peruanerin, die lange Zeit in Amerika gelebt hat und jetzt wieder hier mit ihrer Familie lebt. Für 21.00 Uhr hat sie mich eingeladen. Mit Mühe und Not schaffe ich es erst um 21.30 zu kommen und bin immer noch die Erste der Gäste. Im Verlauf des Abends trudeln Ihre Geschwister mit Ehemännern und Kindern und diverse Nachbarn ein. Ein wirklich lustiger Haufen. Um Mitternacht wird dann angestoßen und es gibt überall Feuerwerk, ich komme mir jetzt eher vor wie Neujahr. Und dann wird erstmal gegessen, traditionelles Truthahnessen, so um 2.00 Uhr morgens werden Geschenke verteilt und dann falle ich todmüde in mein Bett. Und bei meinem nächsten Wong-Supermarkt Besuch treffe ich jetzt wahrscheinlich noch mehr Nachbarn aus meinem „Veedel“ als zuvor.

Samstag, 1. Dezember 2007

Landbesetzungen in Peru

Bei meinem letzten Besuch in Moyobamba, im Norden Perus habe ich das erste Mal die Problematik der Landbesetzungen und das Dilemma der Landnutzungsrechte im wahrsten Sinne des Wortes vor Augen geführt bekommen.

In der Region gab es in den 70-er Jahren eine Kampagne die unbesiedelte "Selva alta" (Bergurwald) bewohnbar zu machen. Die Idee war der Bevölkerung aus anderen Regionen neue Perspektiven und ein Stück eigenes Land zu geben. Seit dem sind aus den umliegenden Regionen Cajamarca und San Martin die Menschen eingewandert, haben ein Stück Wald gebrandrodet und dieses bewirtschaftet.

In der Bergurwäldern wird jetzt in vielen Gebieten Kaffee angebaut, in der Ebene großflächig Reis. Die Landschaft hat sich dadurch in der Region in den letzten ca. 40 Jahren mit einer sich verdreifachten Bevölkerung stark verändert.

Ungeordnete Siedlungsnahme wird vom Staat unterstützt
Die Gesetzgebung Perus fördert diese ungeordnete Siedlungsnahme. Land welches unbewohnt ist, wird demjenigen zugesprochen der es besiedelt und bewirtschaftet. Die Folgen sind unnötige Brandrodung um seinen Besitzanspruch zu sichern. Später folgt dann die Dealerei und der Wiederverkauf der Landflächen. Personen die mit Landflächen handeln, nennt man hier „traficantes de tierra“. Traficantes bedeutet Händler oder Dealer und wird eigentlich für Drogendealer „narcotraficantes“ benutzt. Ich denke das Wort Dealer sagt schon sehr gut aus wie diese Flächen wieder verschachert werden und das es eine ganze Menge Menschen gibt die sich diesem System bedienen un daran verdienen.

Shifting-Cultivation / Wanderfeldbau
Dazu kommt die traditionelle Landwirtschaft in der Selva, die zwar ohne Pestizide auskommt, aber nach drei bis fünf Jahren verlassen die Bauern die ausgelaugten Flächen und roden neue Flächen, da der Boden nicht mehr fruchtbar genug ist. Folge dieser so genannten shifting-cultivation (Wanderfeldbau) ist ein hoher Landverbrauch, Wasserverschmutzung durch schlechte landwirtschaftliche Praktiken und Erosion an Hangflächen. Die Selva-Gebiete sind häufig wichtige Wassereinzugsgebiete und werden jetzt durch Landwirtschaft verschmutzt. Auch wenn sich häufig nach verlassen der Flächen ein Sekundärwald wieder „ansiedelt“, zeichnet sich dieser durch lichten Baumbewuchs und starkes Buschwerk aus. Die Artenvielfalt des Primärwaldes wird nicht wieder erreicht.

Interessanterweise ist der Wanderfeldbau einer der ältesten landwirtschaftlichen Nutzungsformen der Erde, nach Schätzungen der FAO leben und wirtschaften heute noch 250 Millionen Menschen nach diesem Agrarsystem.

Neue Kaffee-Bauern in der Selva
Wir haben uns ein Projekt angeschaut wo es um nachhaltige Landwirtschaft in einem Wassereinzugsgebiet geht. Ein Problem ist, dass die neu eingewanderten Bauern in der Regel keine Kaffeebauern sind und wenig Know-How über den Anbau von Kaffee besitzen. In dieser Zone wird der Kaffee häufig direkt im Fluss gewaschen, hierbei werden Alkaloide (zum Beispie Coffein) des Kaffees ins Wasser ausgewaschen und verschmutzen dieses.

Und warum wird Kaffee angebaut und nichts anders? Den Bauern den wir besuchen sagt uns, dass nur der Kaffee eine sichere Einnahmequelle bietet: „Egal ob der Preis für Kaffee hoch oder niedrig ist, für diese Frucht bekommen wir immer Geld von dem wir leben können. Yuca und Mais hingegen bringen nicht viel ein. Da verkaufen wir eine Sack für 5-10 Soles (1,35-2,70 EUR)“.

Landbesetzungen auch in Lima
Auch in Lima wird zur Erschliessung neuer Gebiete Labnd besetzt. Man schließt sich zusammen, besetzt über Nacht Land (in diesem Fall nacktes, karges Land), baut dort erstmal provisorische Hütten, setzt eine peruanisches Fähnchen aufs Dach und dann gehen die Forderungen an die Regierung los: Wasseranschluss, Verkehrsanschluss bis hin zum Grundbucheintrag, der dann auch meist nach ein-zwei Jahren erfolgt. Dann wird ein solides Haus aus Steinen gebaut und das Ganze geht in einem neuen Gebiet von vorne los, denn die Bevölkerung wächst ständig.

Der Staat sieht tatenlos zu, läst sich erpressen und entzieht sich seiner Verantwortung zu planen und für alle einen Ressourcenzugang zu schaffen. Vor den Wahlkämpfen werden diese neuen Siedlungen (pueblos jovenes) gerne auch für den Wahlkampf instrumentalisiert.

Wirtschaftswachstum um jeden Preis?
Es existiert in Peru kein Raumordnungsplan und leider kein Interesse des Staates die Dinge zu regulieren. Jeder sucht seinen Vorteil im System. Schlimmer noch in der letzten Rede des Präsidenten Alan Garcia hat dieser klare Visionen gesteckt: Der Amazonas muss besiedelt werden, die Selva und die Anden alles ungenutztes Land, die Bodenschätze
und auch das Meer müssen ausgebeutet werden. Der Bergbau (Gold, Kuper und andere Bodenschätze) wird allem übergeordnet, auch bereits ausgeschriebenen Naturschutzgebieten.

Alle die nicht seinem Wirtschaftswachstumskurs folgen sind verkappte Kommunisten. „Y es que allí el viejo comunista anticapitalista del siglo XIX se disfrazó de proteccionista en el siglo XX y cambia otra vez de camiseta en el siglo XXI para ser medioambientalista. Pero siempre anticapitalista, contra la inversión, sin explicar cómo, con una agricultura pobre, se podría dar un salto a un mayor desarrollo“. (Und der alte antikapitalistische Kommunist des 19. Jahrhundert hat sich im 20. Jahrhundert als Behüter verkleidet und jetzt wechselt er wieder seine Zugehörigkeit im 21. Jahrhundert als Umweltschützer, immer gegen Investitionen, ohne zu erklären wie man mit einer armen Landwirtschaft einen Sprung zu einer besseren Entwicklung schaffen kann).

Ich halte das für eine schwarz-weiß Malerei um die Gesellschaft zu Spalten für den Fortschritt um jeden Preis. Und die Armen werden bei diesem Entwicklungsmodell wieder den kürzeren ziehen und die Umwelt sowieso. Das Interesse des Individuums geht über das Interesse der Gesellschaft. Wer die Gesellschaft so spaltet wie Alan Garcia es derzeit tut provoziert auf ein neues revolutionäre Kräfte in seinem Land. Und ich dachte man hätte aus der Geschichte des Sendero Luminoso gelernt!?

Klimawandel !?

"El clima esta cambiando. Nosotros también deberíamos"
"Das Klima ändert sich. Wir müssen uns auch ändern"


In Piura im Norden Perus gibt es eine Werbekampagne die die Menschen für den Klimawandel sensibilisieren soll. Folgendes steht auf den Plakaten:

1. Und was wenn es keinen Mangos mehr geben würde?
2. Welche Arbeit hättest Du wenn es keinem Fisch mehr gibt?

3. Und wenn wir jetzt keine chifles mehr essen könnten?
("Chifles" sind getrocknete Bananen aber salzig, schmecken wie Chips, ich liebe alle diese Bananengerichte die man aus Bananenmuss machen kann mhhh, lecker, lecker)

Piura wird nach Prognosen eine Zone sein, die vom Klimawandel stark betroffen sein wird. Dort habe ich zum ersten Mal "begriffen" was Klimawandel bedeuten wird. Wir sind durch eine Zone gefahren die früher komplett Wüste war. Nach dem letzten "el Niño" 1997/98 in der Zone hat sich hier auf einmal Vegetation angesiedelt. Nicht das dort ein üppiger Wald entstanden wäre, aber mir hat es verdeutlicht das Landschaft und Landwirtschaft sich verändert mit dem Klimawandel. Und die Menschen werden sich auch anpassen müssen: "Das Klima ändert sich. Wir müssen uns auch ändern".

Und wer es noch genauer wissen will einen Artikel zumThema Klimawandel in der Region: http://sananas2610.blogspot.com/2007/06/klimawandel-in-aller-munde.html