Sonntag, 5. Juli 2009

Peru: taub, stumm, blind - soziale Unruhen

Seit Monaten gibt es in Peru soziale Unruhen. Überall dort wo es Rohstoffe gibt: Gold, Öl, Holz, Gas etc. Es stehen Rohstoffressourcen und damit Devisen gegen Landrechte der Einwohner, d.h. Gold gegen Mangos, Kupfer gegen Kaffee. Wer würde bestreiten, dass ein Goldbarren finanziell mehr Wert ist als eine Tonne Mangos?

Die sozialen Unruhen schwellen schon lange in diesem Land, die Kette von Protesten wurden ausgelöst weil der Staat den Zugriff ausländischer Firmen auf die Wasserreserven und auf bislang staatliche Waldbestände weiter erleichtern wollte, ebenso die Förderung von mineralischen Rohstoffen, Erdöl und Erdgas. Vor einen Monat wurden die bereits zwei monatigen andauernden friedlichen Proteste von 5000 Bewohner, insbesondere in den Provinzen Bagua und Utcubamba, mit mind. 34 Toten geendet. Offiziell 25 Tote Polizisten und 9 Indigene Menschen. Inoffiziell sollen es weit mehr Indiginas sein. Es gibt viele Versionen über die Geschehnisse in Bagua. Eine unabhängige Kommission die die Geschehnisse evaluiert gibt es nicht. Anstatt dessen wurde das Gebiet für Tage nach dem Zusammenstoß für Journalisten gesperrt.

Inzwischen sind 74% des peruanischen Regenwalds für ausländische Erdöl- und Bergbaukonzerne konzessioniert, sprich Nutzungsrechte verliehen. Bei dem Abbau von Ressourcen wird oft nicht nur der Lebensraum der indigenen Bevölkerung zerstört , sondern gleichzeitig eine extrem vergiftete Umwelt hinterlassen. Umweltstandards die internationale Konzerne ganz selbstverständlich in ihrem eigenen Land erfüllen werden in Entwicklungsländern außer Acht gelassen, da die Regierungen dies nicht kontrollieren. Die Menschen dort haben Angst, dass in kurzer Zeit große Teile des peruanischen Amazonasgebiets und damit ihr Lebensraumes, in den Besitz von Erdölfördergesellschaften, sowie Firmen, die Wasser und Holz ausbeuten oder Biobrennstoffe produzieren übergeht. Die Ethnien im Amazonas kämpften um ihr Überleben, genauso wie die Andenbevölkerung. Immerhin 45% der 28 Millionen Einwohner sind indianischen Urspungs (hauptsächlich Quechua und Aymara). Für Alan Garcia sind sie trotzdem eine Minderheit.

Für den Staat bedeutet das Gold: Devisen, Wirtschaftswachstum, Reichtum, internationale Investoren und Anerkennung. Für die Bauern bedeutet es Landlosigkeit, Armut, Verlust ihrer Identität und sozialer Strukturen. Hören sie Alan Garcia vom wohl gepriesenen Forschritt reden fragen sie sich zu Recht: Fortschritt - Wo?

Fortschritt gibt es in Lima. So fühlt es sich an, wenn ich im Restaurant in Miraflores sitze am besten noch mit Meerblick und Perus Nationalgericht Ceviche esse. Oder ich die junge Generation mit Labtop im Starbucks sitzen sehe. Dann fühlt es sich nach Fortschritt an. Aber in den Provinzen fehlt es an allem: Schulbildung, Straßen und vor allem eine starke Zivilgesellschaft. In diesem Jahr sind - wie in jedem Winter - bereits fast 200 Kinder in den Anden an Lungenentzündung gestorben. Zum einen weil sie nicht genügend Kleidung und zum anderen weil sie ein geschwächtes Immunsystem haben. Die sind die Folgen von schlechter Ernährung und mangelnder Vorsorge der Eltern. Jahr um Jahr sammeln die Limeños Kleider für diese Menschen, nur die eigentlichen Ursachen der Armut in den Anden wird nicht angegangen. Auch diese Menschen fragen immer häufiger: Fortschritt - Wo?

Andersdenkende als Terroristen defamiert
Die Proteste dauern an . Es wird weiter demonstriert, gestreikt und Gewalt von beiden Seiten ausgeübt. Die einen, zünden Autos an, demolieren Brücken aus Verzweiflung weil sie keiner hören will, die anderen verschließen die Ohren und führen einen scheinheiligen Dialog. Ein Bundesverfassungsgericht, dass auch dem kleinen Staatsbürger zuhört und sich sogar gegen vom Staat erlassene Gesetze wehren könnte gibt es leider nicht. Im Gegensatz der Staat hilft nicht, sondern defamiert alle diejenigen die gegen den von ihm definierten Fortschritt sind als Terroristen. Anstatt einen offenen und vor allem ehrlichen Dialog zu führen spielt der Staat das Spiel: Nicht sehen, nicht hören, nicht reden. Kurzfristig nach Bagua wurde Dialog geführt aber schnell fällt man in das alte System zurück. Die Parole „Unser Land ist das Opfer einer subversiven Aggression" wird hingegen weiter gepflegt, es wird polarisiert, schwarz- weiß geredet und damit Feindbilder aufgebaut.

Ressourcen versus Lebensraum für Ureinwohner
Irgendwie erscheint es als seinen die sozialen Unruhen in Peru und anderer Entwicklungsländer ein hausgemachtes Problem dieser Länder. Ein Problem verursacht durch den Staat der einem großen Teil seiner Bevölkerung nicht am Wohlstand teilhaben lässt. Ein Problem, dass in Peru die Vielfalt der Kulturen nicht gefördert, sondern als Fortschritthemniss gesehen wird. Aber ist es tatsächlich nur ein Problem des peruanischen Staates? Auch wir benötigen die Ressourcen dieser Länder für unseren Fortschritt. Leider sind Industrie und Konsumenten der westlichen Welt diese Themen weitgehend fremd geblieben. Dabei wird global ein ungehinderter Zugriff auf die Ressourcen unserer Erde gewünscht und für die meisten Rohstoffe wird weltweit indigener Lebensraum vernichtet. Ob es das Gas in der Selva Perus ist, Bauxit für unser Aluminium aus Indien oder Uran für unseren Atomstrom aus Australien immer wird den Ureinwohnern Land genommen und es kommt zu sozialen Konflikten.

Kürzlich forderte dann auch noch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Werner Schnappauf: "Wirtschaft und Entwicklungspolitik" müssten in Sachen Rohstoffe "an einem Strang ziehen". Die deutsche Industrie verlangt den vollen Einsatz der so genannten Entwicklungshilfe zur Sicherung des deutschen Zugriffs auf Rohstoffe in den Armutsstaaten des Südens. Sollte Entwicklungshilfe nicht dafür sorgen, dass in Ländern wie Peru Demokratie herrscht, eine starke Zivilgesellschaft gebildet und die Armut bekämpft wird?

Solange also sowohl die Staaten der Entwicklungsländer als auch die "entwickelten " Länder Ohren, Augen, Mund vor diesen Konflikten verschliessen, wird der Raubbau an Mensch und Erde weitergehen. Fortschritt? Ja, bitte - aber für alle!