Freitag, 21. März 2008

Karfreitag auf dem Cerro San Cristóbal, Lima

Ein paar Bildereindrücke von einem Ausflug am frühen (6.00) Karfreitag morgen. Die eigentliche Prozession haben wir verpasst oder sie kommt noch das wissen wir nicht so genau. Aber Menschen gab es viele: wache, müde, betrunkene, verschwitzte, lustige, viele, viele junge Menschen, wachsame, geschäftstüchtige, diebische (Susanne haben sie die Kamera entrissen), andine, limeñische....

Die Menschenmenge hin oder zurück zum Cerro San Cristóbal.
Im Hintergrund Lima

Auch die Polizei mit ihren gelben Autos ist schon vor Ort

Die Nacht war wohl lang, jetzt erst noch ein bisschen schlafen

Kerzen verkaufen ist heute ein gutes Geschäft: 4 Stück für 1 Sol

Alte Frau im schwarzen Samtkleid betend vor dem Kreuz


Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Der Menge an Essen nach zu urteilen, die wir auf dem Weg gesehen haben, wird die Feier wohl noch bis Sonntag durchgehen.


Nicht nur für das leibliche Wohl, auch für das Seelenheil wird gesorgt. Mit Glöckchen, Weihrauch und guten Sprüchen wird geheilt. Einige Heiler hatten ein lebendes Gürteltier in einem Kasten ein gesperrt. Leider habe ich keine Ahnung wofür das gut sein soll.


Glücksbringer: Geld, Koffer und anderer Krimskram wird verkauft


Heiligenbilder sind natürlich auch mit von der Partie. Mit eingebauter Glühbirne. Kann also zu Hause in die Steckdose gesteckt werden.


Peruanische Palmzweige mit Christus


Frische Schlangenhäute zum einreiben. Das hat ehrlich gesagt ziemlich gestunken und ob hier das Washingtoner-Artenschutz-Abkommen eingehalten wird ist wohl eher fraglich.


Auf dem Weg vielleicht noch einen Schlüsselanhänger, mit Namen sofort zum mitnehmen?


Zurück in der Innenstadt treffen wir dann noch auf eine Prozession
des Señor de Milagros ("Herr der Wunder")

Und wir beenden unseren morgentlichen Ausflug im altehrwürdigen
Hotel Bolivar - in einer völlig anderen Welt


Besonders bemerkenswert ist die alte Glaskuppel


Zurück in Miraflores (Blick von meinem Balkon)


Ein schöner "Ausflug". Ich liebe diese Menschenansammlungen zwischen Kirchenprozession- und Jahrmarkt-Stimmung. Ich könnte mich Stunden einfach nur hinsetzen und mir die Menschen angucken, die Vielfalt, der Einfallsreichtum, das Improvisieren, das Chaos. Viel lebendiger und authentischer als die ganzen pitucus (Bezeichnung für die affektierte Oberschicht in Lima) in Miraflores und nichts desto trotz kehre ich gerne in mein kleines Luxusreich, dem grünen Stadtviertel von Lima zurück.

Donnerstag, 20. März 2008

„ Das sind ja peruanische Verhältnisse….“

…..habe ich in Deutschland beim Taxifahren ausgerufen.

Wenn man so weit weg von seinem eigenen Land, zudem in einer fremden Kultur verweilt, kommt man gelegentlich schon zu der Ansicht das in Deutschland alles besser funktioniert. In Deutschland angelangt konnte ich mich allerdings dann vom Gegenteil überzeugen bzw. meine leicht verklärte Vorstellung mal wieder etwas zurecht rücken.

Während in Lima Taxi fahren zu meinen alltäglichen Gewohnheiten gehört, da das Taxi fahren immer noch billiger ist als bei uns eine Busfahrt, ist Taxi fahren natürlich in Deutschland purer Luxus und wird nur in besonderen Fällen genutzt. Die Strecke die ich fast täglich für ca. 1,80 EUR zurücklege würde mich in Deutschland locker 20 EUR kosten. Allerdings muss man auch bei der Ausstattung des Autos einige Abstriche machen. Alles was irgendwie noch fährt kann sich hier als Taxi bezeichnen. Und es gibt bestimmte Regeln die man einhalten sollte.

Regel Nr. 1 Der Fahrgast ist für den Weg verantwortlich. Man sollte also nie in ein Taxi steigen ohne nicht einen „Punto de Referencia“ zu haben, wo man eigentlich hin möchte. Das ist als Neueinsteiger in einer Stand natürlich schwer, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.

Regel Nr. 2 Der Fahrgast hat Kleingeld zu haben oder muss einen Umweg zum wechseln ohne murren in Kauf nehmen. Definitiv besteht kein Recht darauf dass der Taxifahrer auch nur einen einzigen Sol bei sich hat. Also selbst wenn man mit 10 Soles seinen Weg von 5 zahlen möchte, kann das schon mal unmöglich sein.

Und in Deutschland?
Da ist natürlich alles anders, habe ich mir gedacht.

BIO FACH, Nürnberg. Ich nehme abends – nach einem super langen Tag – ein Taxi. Und ich kann es kaum glauben: Der Taxifahrer weiß den Weg nicht. Ich kann nur lachen und sage „Das sind ja peruanische Verhältnisse“. Immerhin gibt es in diesem Taxi ein GPS, das er nach etwas Überzeugungsarbeit auch an macht, denn ich kenne den Weg auch nicht. Ich erkläre dem Fahrer das ich in Peru mit dem Taxifahrer immer einen Festpreis vor der Fahrt verhandele, da ist es mir – außer wenn ich es eilig habe – eigentlich egal ob er den direkten Weg fährt oder einen Umweg, nur in einem deutschen Taxi würde ich schon ganz gerne schnellstmöglich zum Ziel kommen, läuft doch der Taximeter doch bei jedem Meter und jede Minute weiter.

5 Tage später - letzter Tag der BIO FACH, wir – ich und meinen drei peruanischen Kollegen - reisen mit Sack und Pack wieder ab. Das Taxi kommt an und das erste was die Taxifahrerin sagt: „ Ich habe kein Wechselgeld. Ich kann nur mit 20 EUR rausgeben, wenn Sie kein Kleingeld haben muss ich ein anderes Taxi rufen“. Ich muss wieder lachen, übersetze meinen Kollegen was mich so erheitert und muss auch hier ausrufen: „Das sind ja peruanische Verhältnisse“. Aber was mich am meisten erheitert ist die Servicetreue der deutschen Taxifahrerin, wenn sie kein Kleingeld hat sagt man das vorher und bietet ein neues Taxi an. Das wäre einem peruanischen Taxifahrer nie eingefallen und wenn es 10 Minuten mehr kostet um irgendwo Geld zu wechseln, eine Einnahmequelle lehnt man doch nicht ab? Dafür wird sich auf dem Weg schon eine Lösung finden. Und eigentlich ist es ja auch immer so.

Es gibt für alles eine Lösung nur der Deutsche will sie vorher dem Peruaner reicht es auch unterwegs…

Samstag, 1. März 2008

Zwischen den Welten

Ankunft Frankfurt, Deutschland
08. Februar 2008
Nach 24 Stunden Reisezeit endlich angekommen, endlich nach zwei Nachtflügen. Endlich angekommen in meinem Land! Jetzt noch durch die Migration, ich kann mich an der kurzen Schlage für EU-Bürger anstellen, der Beamte guckt nur einmal kurz in den Pass und winkt mich durch. Und schon fange ich an Deutschland mit Peru zu vergleichen: In Peru in der Migration habe ich jedes Mal das unbestimmte Gefühl ich habe ein Formular vergessen und gleich geht die Diskussion um irgendeine Lappalie los.

Weiter geht`s, das Gepäck kommt nach ein bisschen warten. Auf dem Weg zum Fernbahnhof fragt mich eine junge Frau die Kreditkarten verkaufen möchte: „Wohnen Sie in Deutschland?“ Völlig übermüdet kann ich dies mit gutem Gewissen und ein wenig Stolz verneinen, denn mein Wohnsitz ist derzeit Peru und so werde ich auch nicht weiter mit Kreditkarten belästigt. Welch Glück.

Der Zug kommt pünktlich und jemand hilft mir auf Nachfrage mit dem Gepäck welches aus einem Koffer und einer nicht ganz leichten Alukiste besteht. Aus dem ICE betrachte ich die Felder die noch mit Raureif bedeckt sind auch wenn noch alles kahl ist, glitzert es im morgentlichen Sonnenlicht. Ich komme an einem Sonnentag an. Es ist schön anzukommen, alles zu vertraut, so leicht. Am Flughafen und auch in der Bahn habe ich mir vorgestellt wie meine Kollegen wohl Deutschland wahrnehmen wenn sie in einer Woche ankommen. Dieser riesige Flughafen in Frankfurt, der ICE, die Landschaft, die Ruhe auf den Bahnhöfen, die lautlose Bahn, die deutschen die lautlos in die Bahn einsteigen, lauter Geschäftsleute im Anzug die telefonieren – fühlt sich an wie Leben im Wattebausch, alles ein bisschen gedämpft. Und in Peru? Fährt man Bis und wird mit allerlei Arten von Filmen zugemüllt - inhaltlich und geräuschmässig. Keiner beschwert sich über die Lautstärke, keiner schreitet ein wenn die Filme gewalttätig sind und Kinder mit im Bus sitzen. Das empfinde ich so häufig als phlegmatische. Dieses hinnehmen, sich für nichts einsetzten, sich seinem Schicksal hingeben spiegelt sich leider auch in einem Grossteil der Gesellschaft wieder.

Die nächsten zwei Wochen besuche ich Hinz und Hunz, "Pisco Sour" (Nationalgetränk der Peruaner bestehend aus einem Grappa dem eingentlichen Pisco, Limettensaft, Zucker und Eiweiss) mit original peruanischen Zutaten werden getrunken mir werden stolz neu erworbene Häuser, Eigentumswohnungen und Büros sowie Familienzuwächse Kinder und Hunde vorgestellt. Ich sitze im Februar im Biergarten bei fantastischem Sonnenschein, fahre Fahrrad am Rhein entlang, welch großes Glück. Frühlingsgefühl. Glück, Glück. Fahrrad fahren macht glücklich!!!!!!!!!!!!! Die BIO FACH dann noch im Schnelldurchlauf und schon geht es wieder zurück. Am letzten Abend sitzen wir in der Küche und wir fragen uns ob es wahr ist, dass ich morgen früh schon fahre oder ob ich nicht gerade erst angekommen bin? Es ist wie am ersten Tag wir essen gemeinsam und klönen nur das sich in der Zwischenzeit schon wieder fast ein ganzer Monat einfach mal so eben gelebt hat mit begrüßen, verabschieden, ankommen, wegfahren, begegnen, umarmen, los lassen, lachen, reisen, Gesprächen und arbeiten.

Ankunft Lima, Perú
01. März 2008

Nach 24 Stunden-Rückreise komme ich um 2.30 morgens aus dem Flughafen in Lima: 20 Grad, Sommerlüftchen, eine Taxifahrt am Meer entlang nach Hause, Dusche, Bett, schlafen. Morgens aufstehen, Sachen auspacken, 2kg Schokolade im Kühlschrank verstauen, Brötchen holen, das Veedel begrüßt mich hier und da mit einem „Hola señorita, wir dachten schon sie kommen gar nicht wieder, wir haben ihr lachen vermisst“, mit den beiden Praktikantinnen die meine Wohnung gehütet haben erstmal Frühstücken, auf dem Bio-Markt einkaufen, Spaziergang am Meer, Ceviche essen… so rinnt der Tag dahin und es fühlt sich ganz normal an, kein bisschen fremd. Das Leben zwischen den Welten, zwischen den Kulturen macht immer noch Spaß, immer wieder, immer mehr.

Häufig gestellte Fragen

FREQUENTLY ASKED QUESTIONS (FAQ)
IN DEUTSCHLAND


Wie hoch liegt Lima, ist das nicht die höchst gelegene Hauptstadt der Welt?
Nein, Lima liegt 30 Meter über dem Meer. Da dies aber ein verbreiteter Irrglaube ist kann ich mir dies nur so erklären, dass man mit Peru direkt die Anden assoziiert und vielleicht an La Paz den Regierungssitz Boliviens
denkt. Den La Paz liegt tatsächlich auf 4100 m.

Kann man in Peru leben?
Das wurde ich dieses mal sehr häufig gefragt. Erst bin ich immer ein wenig verdutzt und denke JA ganz offensichtlich weil ich lebe da ja seit 1,5 Jahren. Aber dann erinnere ich mich wieder das auch ich vor der Ausreise über diese Stadt so meine Zweifel hatte: Ist die Stadt sicher? Kann ich abends alleine auf die Strasse gehen? Und merke wie sehr ich mich an dieses Leben in der Großstadt gewöhnt habe und wie sicher ich mich hier auch fühle. Ja, man kann in Lima leben, sogar sehr gut, nur auf das Fahrrad fahren muss ich schweren Herzens verzichten, die Stadt ist ein Moloch mit zu vielen Autos, Busse die nie einen TÜV gesehen haben. Dafür hat man ein reiches kulinarisches Angebot, selbst ein Hefe-Weizen kann ich im Wong kaufen und auch das kulturelle Angebot ist groß.

FREQUENTLY ASKED QUESTIONS (FAQ)
IN PERU

Was machst Du denn am Wochenende?
Für einen Peruaner unvorstellbar? Ich bin 10.000 km von zu Hause entfernt, unverheiratet und habe hier auch keine Verwandtschaft? Was macht man dann bloß am Wochenende? Denn die Freizeitaktivität Nr. 1 vieler Peruaner am Wochenende heißt Familienbesuch. Einen Fernseher besitze ich auch nicht.

Und was mache ich? Das was ich in Deutschland auch mache: lesen, Freunde treffen, essen, kochen, schlafen, raus fahren, auf dem Bio Markt einkaufen, am Meer spazieren gehen (das geht in Deutschland leider selten), Museum, Theater, Kino, Konzerte, manchmal auch arbeiten (*snief), genießen.….

Die klassischen Fragen des "Taxi-Talk": Gefällt dir Peru? Warst Du schon in Machu Pichu? Und gleich danach wird nach dem peruanischem Essen gefragt: Hast du schon Ceviche probiert und Pisco Sour getrunken?
Machu Pichu, Ceviche (Ceviche ist das Nationalgericht der Peruaner aus mit Limettensaft übertröpfeltem rohen Fisch mit Chili und viel Zwiebeln gewürzt, als Beilage gibt es Mais und Kamotte (Süßkartoffel) und Pisco Sour sind sozusagen der Nationalstolz. Ehrlich gesagt bin ich heute auch direkt Ceviche essen gegangen, sozusagen der Inbegriff für peruanischen Sommer. Und morgen gibt es das gleich noch mal!! Lecker, lecker, lecker.

Wie viel verdienst Du?
Eine Frage die sich mit einem peruanischem Freund inzwischen zum "running Gag" entwickelt hat. Ich sitze mit einer gemischten deutsch-peruanischen Gruppe am Frühstückstisch, mitten im Gespräch fragt mich Manuel: "Jutta wie viel verdienst Du eigentlich?" Ich bin ehrlich gesagt irritiert denn das ist nun wirklich eine Frage die man in Deutschland nur ganz guten Freunden stellt und schon gar nicht in einer Gruppe. In Peru hin gegen ist dies eine völlig normale Frage und bedarf keines längeren Vertrauensaufbau. Ich habe es natürlich nicht verraten :-). Noch nicht! Vielleicht in 7 Jahren?