Samstag, 21. Juli 2007

Perspektivenwechsel: Einkaufen auf dem Bio-Markt

Heute auf dem Markt habe ich sehr gelacht, wie peruanisiert ich doch schon bin - zu mindestens beim Einkaufen. Das peruanische einkaufen auf dem Markt weicht nämlich deutlich vom deutschen System an.

In den ersten Wochen habe ich immer gewartet bis man mich bedient hat, mich ab und zu innerlich gefragt warum sich eigentlich immer alle vordrängeln. Aber die ersten Wochen hatte ich natürlich endlos Zeit. Ich kannte ja noch niemanden und das Einkaufen war so ein mit genommes Ritual aus Bonn, dass mir in ein bisschen das Gefühl von Heimat gab.

Als die Zeit knapper wurde habe ich dann irgendwann das System entlarvt. Hier muss man sich sein Recht erkämpfen. Sobald man es geschafft hat in der ersten Reihe zu stehen, nimmt man sich eine Kartoffel, füllt seine Tüte mit den Kartoffeln, die schon mindestens 10 andere Kunden durchwühlt haben und wirft die Tüte auf die Waage mit der direkten und forschen Frage ¿A cuanto están las papas? Und so macht man das dann weiter. Man muss nur aufpassen, dass nicht gleich die Waage wieder besetzt ist, denn hier wird gleichzeitig bedient. Aber jahrelanges Ligretto-Training (Ligretto ist eine Version von MauMau, nur alle spielen gleichzeitig) haben mir einen eindeutigen Vorteil verschafft und ich bin inzwischen auch einem einheimischen Peruaner auf dem Markt gewachsen.

Der stärkere, der lautere gewinnt ist hier leider ein beliebtes System. Ob im Straßenverkehr oder in Diskussionen wer lauter schreit, lauter hupt und sich sein Recht nimmt gewinnt. Manchmal stresst es mich ganz schön, denn eigentlich finde ich unser idyllisches Markt einkaufen deutlich angenehmer, genauso wie die eindeutige Strassenverkehrsregele: rechts vor links und Diskussion in denen man aufzeigen muss um sein Recht auf einen Beitrag zu signalisieren.

Bin ich peruanisiert?
Wie gut ich mich aber an das System am dem Markt adaptiert habe wurde mir dann bei meinen letzten Einkauf dieses Tages bewusst. Ich schielte noch zum bunten Mangold rüber. An dem Stand war auch kaum Betrieb. Also habe ich mir schnell einen Mangold geschnappt, die Bäuerin nach dem Preis gefragt und wir haben Soles gegen die Ware getauscht. Ganz schnell und unkompliziert. Nur, rechts von mir hörte ich plötzlich eine Stimme mit englischen Akzent. „Disculpa, Señorita, falta la educación“. Was wohl mit galt: „Entschuldigung Fräulein, es fehlt an Erziehung“.

Ich fühle mich sofort Seite ertappt und entlarvt, falle direkt in meine Kultur zurück und denke mir: "Hups, da hat sie hat Recht". Auf der anderen Seite denke ich mir: "Liebe Ausländerin das wirst du auch noch lernen, wenn du nicht Stunden warten möchtest".

Und dann wird mir auf einmal bewusst, wie es den Peruaner manchmal gehen muss, wenn ich mit meinem Kulturbild hier ankomme, mit meinen Spielregeln, wie komisch muss ich ihnen gar zu oft erscheinen. Und ist mein Verhalten höflicher und besser, wenn ich warte? Geht es nicht darum das alle die gleichen Spieleregel haben. Auch im Autoverkehr ist für den Peruaner einfach klar, dass das Autos vorfahrt haben, egal um es einen Zebrastreifen gibt oder nicht. Ich empfinde das als Respektlosigkeit. Das gleiche passiert mir in Diskussionen. Wer lauter schreit gewinnt und hat das Wort. Aber was ist denn schon richtig und falsch.

Mein kleiner Perspektivenwechsel hat mir gezeigt, wie schwer es ist eine andere Kultur nicht mit seiner Kultur zu bewerten, diese als Maßstab für alles zu nehmen, sondern es einfach stehen zu lassen. Auf dem Bio-Markt ist es mir offensichtlich geglückt, aber in vielen anderen Dingen steht mir meine Kultur doch häufig im Wege und die Spielregeln scheinen zu unterschiedlich, als könnte man wirklich das gleiche Spiel spielen. Zu einer wirklichen peruanisierung fehlen wohl noch viele Jahre......