Samstag, 17. Mai 2008

Gipfetreffen und Klimawandel

Das 5. Gipfeltreffen Lateinamerika, Karibik und Europäische Union hat diese Woche in Lima statt gefunden. Die peruanische Flagge ist überall gehisst, auch auf jedem privaten Haus. In Lima hat Alan Garcia zwei nationale Feiertage ausgerufen, damit die Stadt nicht im Chaos versinkt. Die Limeños haben dies dankbar angenommen und sind aus Lima in die Sonne geflohen. Die Stadt ist ruhig, nur leider grau und kalt. Freitag ging der Gipfel zu Ende man hat eine 17 Seite Erklärung mit 57 Punkten erarbeitet wo es um Armut, Gesundheit, Umwelt und Bildung geht. Viel Luft und wenig Inhalt.

Frau Merkel ist auf dem Gipfel mit 33 Staatschefs aus Lateinamerika und 27 Vertretern aus EU-Staaten die prominenteste Repräsentantin aus Europa. Sie kommt mit zwei wichtigen Themen im Gepäck: Armutsbekämpfung und Klimawandel.

Sie ist Alan Garcia wohlgesonnen und so wurde bilateral vereinbart das eine Delegation aus dem Umweltministerium nach Peru reisen wird um das neue Umweltministerium, mit seinem während des Gipfels designierten Umweltministers Antonio Brack, zu unterstützen. Während Deutschland für die Einrichtung des Umweltministerums Tschernobyl 1986 brauchte, hat Peru sich für das Freihandelsabkommen der USA darauf einlassen müssen. Freiwillig scheinen weder die Europäer noch die Lateinamerikaner ein Umweltministerium einzurichten.

Klimawandel ist in Peru in aller Munde. Die Sensibilisierung der Menschen hier ist deutlich höher als für Bio-Produkte. Jeden Tag stehen Artikel zum Klimawandel in der Zeitung. Peru, so wird prognostiziert, ist eine der Regionen weltweit die am meisten vom Klimawandel betroffen sein wird, es aber in einigen Gegenden auch schon ist.

Die Entwicklungsorganisationen GTZ (Gesellschaft für technische Zusammenarbeit), DED (Deutscher Entwicklungsdienst) und lokale Organisationen haben eine Fotoausstellung dazu erstellt: "El Clima cambia, mi vida también" (Das Klima ändert sich, mein Leben auch), in der einfache Menschen aus dem Volk von den Auswirkungen des bereits stattfindenden Klimawandels reden. Auch wenn nicht alle Statements einen eindeutigen Bezug zum Wandel haben, ist es eine schöne Fotoausstellung geworden, die sowohl in anderen Teilen Perus als vielleicht auch in Deutschland gezeigt werden soll.

Außerdem ist die private Universität PUCP mit einer großen Plakatserie in der Stadt präsent auf denen groß steht: Clima de Cambios ("Klima des Wandels)".


Gerne würde ich wissen ob Frau Merkel und die ganzen angereisten Parlamentarier bereits freiwillig CO2-Steuer für ihre vielen Flugreisen zahlen die dann in CO2 gewinnenden Projekten eingesetzt werden, zum Beispiel Atmosfair oder Stop-Climate-Change. Aber soviel stringentes umsetzen der eigenen Worte ist ja eher selten. Ich erinnere mich an eine Rede von Frau Künast bei einer Eröffnung der BIO FACH, die da sagt "und wenn alle Umweltorganisationen und NGO die soviel für die Umwelt tun wollen und darüber reden, öko kaufen würden, wären wir schon einen ganzen Schritt weiter" Ich finde das ist ein kluger Kommentar und mit solchen einfachen Maßnahmen die sicherlich nicht alleine den Klimawandel auf halten können aber Glaubwürdigkeit vermitteln könnten wären wir einen Schritt weiter. Und eigentlich passt das doch auch in die Politik der kleinen Schritte von Frau Merkel. Aber vielleicht irre ich mich ja auch und das Bundeskanzleramt funktioniert schon klimaneutral?

Gipfel der Völker

Neben dem offiziellen Gipfeltreffen Lateinamerika, Karibik und Europäische Union (ALC-UE) findet zeitgleich das Gipfeltreffen der Völker (Cumbre de los pueblos) statt. Da Alan Garcia, der Präsident Perus, zwei Feiertage ausgerufen hat, habe ich also frei. Mit Frau Merkel konnte ich leider keine Audienz vereinbaren, daher schaue ich mir also den Gipfel der Völker an.

Statt findet der Volksgipfel in der Universität der Ingenieure in Rimac, einem Stadtviertel wo ich sonst nie bin, ein armes, heruntergekommenes Viertel, weit ab von allem. Um den Ort des Geschehens gab es im Vorfeld eine große Diskussion. Der ursprünglich geplante Tagungsort die Universität San Marcos wurde nach Druck auf den Direktor abgesagt, der Direktor trat danach zurück. Willkommen ist der Gipfel, auf dem sich auch Eva Morales (bolivianischer Präsident) zum Fußballspielen angekündigt hat, nicht.
So wurde dieser in der Presse auch häufig als Anti-Gipfel dargestellt.

Tribunal des Volkes
Die ersten Tage findet ein Volkstribunal (Tribunal permanente de los pueblos) statt, dass ich leider selber nicht mitverfolgen kann. Hier werden Fälle von Rechtsverletzungen transnationaler Konzerne verhandelt. Angeklagt werden Minenfirmen (Monterico Metals - Majaz), Pharmakonzerne (Boehringer, Roche), Agramultis (Syngenta, Bayer) und viele mehr. Angehört werden NGO, die Bevölkerung und weitere direkte Beteiligte zu konkreten Rechtsverletzungen.

Transnationale Konzerne tragen auf der einen Seite derzeit zum Wirtschaftsaufschwung in Peru und ganz Lateinamerika bei, auf der anderen Seite werden permanent Menschenrechte verletzt und die Umwelt nachhaltig zerstört.
Leider profitiert die andine Bevölkerung nur wenig vom Reichtum der Giganten oft ist es der Kampf David gegen Goliath. Eine Kampagne von Misereor bringt es auf den Punkt "Der Reichtum geht, die Armut bleibt".

Das Tribunal hört sich zunächst die Faktenlage an, zieht sich dann zu Beratungen zurück und verkündet einen Tag später ihre Urteile. Der Agrarkonzern Camposol wurde verurteilt für seine Anti-Gewerkschafts-Praktiken und Verletzungen der Menschenrechte, Bayer für den Tod von 24 Kindern in Cusco die 1990 bei einem Schulfrühstück mit Insektenmittel verseuchtem Essen zu sich nahmen (siehe blog Hildegard" Volksgericht"), und das Minenunternehmen Río Blanco Cooper (Ex-Majaz) für die Umweltzerstörung in Piura. Die Ergebnisse und Empfehlungen dieses
Schauprozesses werden dem Vorstand der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Kommission der Menschenrechte der OAS und dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag übergeben.

Erklärung des Volksgipfels an den offiziellen Gipfel

Am Donnerstag überreichte eine
Delegation des Volksgipfels in einer offiziellen Zeremonie eine Erklärung an die Verantwortlichen des 5. Gipfeltreffens der ALC-UE. Außenminister José Antonio García Belaúnde und der slowenische Kanzler Dimitriji Rupel haben die Erklärung entgegen genommen. Der Volksgipfel spricht sich in dieser Erklärung gegen die Bündnisse mit der europäischen Union in der derzeit ausgestalteten Art und Weise aus, da dadurch das Ungleichgewicht zwischen arm und reich erhöht, Menschenrechte verletzt und die Umwelt zerstört wird.

Nach drei Tagen gab es eine Abschlussveranstaltung mit mehreren tausenden Menschen. Hauptfiguren der Abschlussveranstaltung waren Eva Morales und Ollanta Humala. Ollanta ist eine schillernde linke politische Figur, die 2006 mit García um die Präsidentschaft antrat. Hugo Chavez hatte seine Teilnahme noch kurzfristig wegen Verpflichtungen auf dem Haupt-Gipfeltreffen abgesagt.

Bildeindrücke die die Stimmung wieder geben.

Hier wird ein recht aufwieglerischer Diskurs gehalten über die Ausbeutung der Menschenrechte durch Minenkonzerne und die Zerstörung der Umwelt, insbesondere durch Wasserverschmutzung. Zwischen dem Diskurs werden immer wieder im Chor verschiedene Schlachtrufe angeheizt zum Beispiel: "La selva no se vende, la selva se defiende" (Der Urwald wird nicht verkauft, der Urwald wird verteidigt).


Ein kleine Demonstration auf dem Uni-Gelände für gerechte Arbeitsbedingungen


Auch verschiedene Kulturen und Völker kommen zu Wort

Die radikalen linksreligiösen-Fanatiker fehlen leider nicht. Hier wird es mir dann echt zuviel. Das Plakat stellt Christus als ersten Revolutionär vor und der Slogan sagt: "Da wo Ungerechtigkeit herrscht, gibt es Revolution".

Schlimmer wird es dann noch mit der Ungerechtigkeitspyramide des Kapitalismus. Ganz oben an der Spitze die europäischen Präsidenten, danach kommt schon gleich der Papst (der Antichrist) und die Bestie (George Bush). Damit diskreditiert sich diese Veranstaltung leider unnötig. Solche platten, undifferenzierten frasendrescher sollten von den Organisatoren lieber nicht zugelassen werden.

Kunst und Kultur fehlt auch nicht, eine kleine Ausstellung


Der Text sagt: Nach dem Essen von Gentechnik-Produkten. Wenn die Auswirkungen so eindeutig wären, wäre die Diskussion auch leichter ;-).


Ein sehr schönes Buch verbirgt sich hier hinter.
Die Geschichte eines Andendorfes zur Zeit des Sendero Luminoso:

Klappt man das Hemd auf entfaltet sich die
reich bebildert Geschichte .
Das Ende der Geschichte sagt: NUNCA MAS! - Nie wieder!


Mein persönlicher Eindruck
Als ich in das Uni-Gelände eintrete habe ich das Gefühl: E-N-D-L-I-C-H mal eine Gegenströmung zu den konformistischen Limeños. Ich sehe und höre sowohl
konstruktiven Diskurs als auch Aufwiegelei. Ich schwenke schnell zwischen "ist mir alles zu links, zu platt gegen den bösen Neoliberalismus" und einer Faszination von Menschen die hier zu Wort kommen und ihre Rechte verteidigen, hin und her.

Am eindringlichsten finde ich ein Statement einer andinen, einfachen Bauersfrau die die Umweltauswirkungen einer Mine in ihrem Dorf beschreibt, die voller Verzweiflung sagt: "Wir sind auf unser Glück angewiesen das uns jemand hilft "und dann aber mit Stolz hinzufügt: Unsere Armut wird ausgenutzt. Wir sind nicht arm, wir arbeiten rund um die Uhr, wir arbeiten hart, wir ernähren uns von dem was wir anbauen, wir sind keine Bettler, wir haben unsere eigene Ideologie und Wertschätzungen. Und mir fällt ein Satz ein den ich einmal in einem Fotoband über das Leben in den Anden gefunden habe: "Este forma de vida no nos pertence, pero no podemos dejar de valorarla"- Diese Art zu Leben ist nicht unsere, aber wir dürfen nicht aufhören diese zu wert schätzen. Und ich denke da ist viel Wahrheit dran: Welches Recht haben wir das andine Leben zu entwerten, nur weil es nicht unserem Lebensstil entsprich?

Mir ist mal wieder bewusst geworden, dass es in einer Gesellschaft wie Peru / Lateinamerika viel schwieriger ist mit einer Stimme zu sprechen als in Europa. Die Kluft zwischen der andinen Bevölkerung, den Stämmen der Selva und den Limeños ist riesig. So wie ich oft auf interkulturelle Barrieren stoße, treffen hier die Menschen innerhalb eines Landes auf interkulturelle Konflikte. Das macht es nicht leicht mit einer Stimme zu sprechen.

Ich halte diese Veranstaltung für wichtig als Gegenpool zu dem ganzen Mainstream. Zu wünschen wäre der Veranstaltung mehr Beteiligung, mehr Unterstützung und Wertschätzung durch den Staat, eine gezieltere Auswahl der Organisationen ohne fanatische linke und mehr Aufbruchstimmung statt blinder Wut. Solch eine Veranstaltung sollte durch eine starken kreative und konstruktive Aufbruchstimmung und dem Gefühl alle ziehen an einem Strang geprägt sein und nicht durch Klientelismus und generellen platten Anfeindungen an den Neoliberalismus.

Montag, 14. April 2008

Asia: "Strand der Reichen und Schönen" oder "Strand der Rassisten"

Die Strände im Süden von Limas haben alle einen Eigennamen wie zum Beispiel: El Silencio (die Stille), La Herradura (das Hufeisen), San Pedro, San Bartolo und eben auch Asia, der knapp 100 km von Lima-Zentrum entfernt liegt.

Die erste Meldung, die ich von diesem Strand im letzen Jahr hörte, war das Verbot für die Hausangestellten den Strand zu nutzen, zu mindesten nicht vor Sonnenuntergang; oder nur in Angestellten-Kleidung und zum aufpassen auf die Kinder. Das Piktogramm gibt es gut wieder: "Sauberer Strand: Keine Flaschen, keine Hunde und keine empleadas zwischen 6.00 und 17.00 Uhr“. Das Schild gibt es nicht wirklich, es wurde im Rahmen einer Kampagne gegen Rassismus gezeichnet http://disenoperu.blogspot.com.

Asia ist ein öffentlicher Strand. Ich weiß nicht wie man den Angestellten das Schwimmen verbieten kann, wohl einfach mit ständiger Arbeit. Im letzen Jahr gab es allerdings öffentliche Protest dazu, aber ob es geholfen hat? Ich weiß es nicht. Wenigstens war es ein diskutiertes Thema. Diesen Sommer habe ich es allerdings schon nicht mehr als Thema wahrgenommen.

Diskriminierung gibt es in Peru viel, so lass ich heute das 86% der Hausangestellten mehr als 10 Sunden am Tag arbeiten und 70% haben nicht mal 1 oder 2 Tage in der Woche frei. Und das Ganze für den Mindestlohn von 500 Soles, das sind nicht mal 120 EUR. Dazu werden allerdings Unterkunft - meist eine Abstellkammer neben der Küche - und Essen gezahlt. Die Hausangestellten kommen meistens aus der Sierra oder Selva und sind dunkelhäutig im Gegensatz zu ihren hellhäutigen Arbeitgebern. Es ist ein schwieriges Thema in Peru, welches ich mir gar nicht anmaßen möchte zu verstehen. Für viele Menschen ist es auch die einzig Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen und viele leben auch unter guten Bedingunge und gehören (fast) zur Familie. Nur persönlich bin ich oft noch empört und schockiert - immer noch und jeden Monat immer wieder - über die Diskriminierung innerhalb dieses Landes. Und vielleicht macht es mich auch oft so betroffen, weil mir an Tagen wie bei einem Besuch am Strand von Asia diese Ungerechtigkeit wieder bewusst wird. Ich spaziere als Weißnase einfach an den Strand, habe jegliche Rechte und anderen Menschen wird dieses Recht verweigert und ich kann es leider kaum beeinflussen.

Als Kontrast nun ein paar Bilder vom Boulevard in Asia (Shopping-mall) und dem wirklich wunderschönem und sauberen Strand - an dem auch ich gerne spazieren gehe.

Shopping-mall

Das Ganze von oben. Da viele Limeños im Sommer in Asia in ihren luxuriösen Ferienhäusern leben, gibt es dort eine exklusive Shopping-mall, damit man nicht nach Lima zurück muss. Morgens um 10.00 Uhr ist da allerdings noch nichts los. Bekannt ist der Boulevard auch für sein reges Nachtleben der Schönen und Reichen.


Die andere Seite: Parkplatz, Schnellstrasse und Wüste


Jetzt aber auf zum Strand: HERRLICH, HERRLICH, HERRLICH!!!!


Und noch ein bisschen heile Welt an diesem Strand der zwar sehr schön ist, aber auch ein trauriges Exempel für Diskriminierung von Menschen darstellt.

Wenn man mit seiner deutschen Vergangenheit konfrontiert wird…

Des öfteren passiert es mir, dass ich in ein Taxi steige und auf die Nachfrage welcher Nationalität ich denn sei, wird mir mit einem freundlichen, unschuldigem lächeln die Begrüßung "Heil, Hitler" entgegnet. Leider ist es oft das Erste und das Einzige was ihnen zu Deutschland einfällt und gar nicht böse gemeint. Weiter Klischees die gerne assoziiert werden sind: Bier, Fußball und sehr ernste, unlustige Menschen.

Nur ich kann mich nicht daran gewöhnen. Ich bin irritiert und eigentlich auch gleich genervt. Wie kann mich denn jemand den ich gar nicht kenne auf so ein Thema ansprechen? Das es ein prekäres Thema ist, versuche ich den Leuten damit zu erklären, dass sich das so anfühlt als wenn ich direkt mit der Geschichte von Abimael Guzmann (Führer der Guerilla-Bewegung "Sendero luminoso") meinen Taxi Talk beginnen würde. Aber das deutsche Image sitzt tief und die meisten verstehen gar nicht warum ich so pikiert bin.

"Ojala que no te vuelvas Nazi"
Der Gipfel passierte mir allerdings letzte Woche. Ein Tag der eh nicht meiner war, ich verlasse das Büro so früh wie lange nicht mehr, weil es irgendwie nicht vorwärts ging, und lasse mich am Olivenhain absetzen um den restlichen Weg durch den Park nach Hause zu laufen. Von hinten kommt ein 45-jähriger Fahrradfahrer an - eigentlich ja ganz sympathisch Fahrradfahrer(!) – und fragt mich nach dem Weg, will mich aber eigentlich – wie mir sofort klar ist - nur in ein Gespräch verwickeln. Nur, bin ich alles andere als in der Stimmung dazu. Ich antworte also in meiner wirklich nicht sehr charmanten kurz angebunden völlig entnervten Art: Ja Deutschland, eineinhalb Jahre, Bonn, ja die alte Hauptstadt, ja gefällt mir, ja ich mag Ceviche... bis es mir zu blöd und als er meine non-verbalen Signale nicht versteht raunze ich ihn an dass ich schlechte Laune habe und er solle mich doch bitte in Frieden lassen. Da fühlt sich nun aber jemand in seinem Mannstolz verärgert, dreht sofort mit dem Fahrrad um und säuselt noch in seinen Bart, aber laut genug das ich es hören kann: " Ojala que no te vuelvas Nazi" (Hoffentlich wirst du nicht wieder zum NAZI). Ich bin echt perplex. Und das auch noch an so einem, mit dem falschen Bein aufgestanden, Tag.

Dirndl mit Hackenkreuzen
Aber es gibt noch mehr Beispiele dafür, dass wir mit der Vergangenheit noch immer sehr assoziiert werden. Auf einem Austausch von deutschen und peruanischen Modemachern, die jeweils die andere Kultur mit einem typischen Modestück zeichnen sollten, hat eine peruanische Designerin ein Dirndl mit Hackenkreuzen gemalt. Die Antwort der deutschen ein peruanischer Poncho. Klischee gegen Klischee.

Die Krönung hat allerdings eine Freundin in Arequipa entdeckt. Eine CD mit dem Titel "Deutsche Volksmusik", auf dem Cover war ein Hackenkreuz abgebildet. Was für Musik auf der CD war? Ganz normale deutsche Volkslieder aus dem Musikantenstadl.

Der Preis des Erinnerns
Ich könnte jedes Mal im Boden versinken, manchmal ärger ich mich auch das das Image immer noch so präsent ist, das Ganze angeheizt von amerikanischen schlechten Filmen über diese Zeit. Manche verherrlichen sogar diese Zeit und sagen: "Ja damals war noch Ordnung, das fehlt uns hier".

Da merke ich das mich doch mein Nationalstolz packt (wusste bisher gar nicht das ich den besitze), dass mein Land das nicht verdient hat. Und das ich eigentlich Stolz darauf sein kann das „mein“ Land seine Geschichte nicht (mehr) versteckt, das es Pflicht ist in der Schule ein KZ zu besuchen um sich mit der Geschichte auseinander zu setzen,
das es Mahndenkmäler gibt, das es bei NPD-Märschen Gegendemonstrationen gibt, das die Geschichte nicht vergessen wird.

Und weil wir soviel erinnern und es nicht unter den Teppich kehren wird uns nun diese Geschichte immer wieder wie ein Bumerang zurück geworfen. Ist das fair?

Vielleicht nicht fair, aber gut das die Geschichte am Leben erhalten wird, das das Vergessen nicht aufhört und wenn es mich auch nervt, wenn es dazu beiträgt das sich die Geschichte nicht wiederholt, sollen die Menschen nur weiter drüber reden.

Freitag, 21. März 2008

Karfreitag auf dem Cerro San Cristóbal, Lima

Ein paar Bildereindrücke von einem Ausflug am frühen (6.00) Karfreitag morgen. Die eigentliche Prozession haben wir verpasst oder sie kommt noch das wissen wir nicht so genau. Aber Menschen gab es viele: wache, müde, betrunkene, verschwitzte, lustige, viele, viele junge Menschen, wachsame, geschäftstüchtige, diebische (Susanne haben sie die Kamera entrissen), andine, limeñische....

Die Menschenmenge hin oder zurück zum Cerro San Cristóbal.
Im Hintergrund Lima

Auch die Polizei mit ihren gelben Autos ist schon vor Ort

Die Nacht war wohl lang, jetzt erst noch ein bisschen schlafen

Kerzen verkaufen ist heute ein gutes Geschäft: 4 Stück für 1 Sol

Alte Frau im schwarzen Samtkleid betend vor dem Kreuz


Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Der Menge an Essen nach zu urteilen, die wir auf dem Weg gesehen haben, wird die Feier wohl noch bis Sonntag durchgehen.


Nicht nur für das leibliche Wohl, auch für das Seelenheil wird gesorgt. Mit Glöckchen, Weihrauch und guten Sprüchen wird geheilt. Einige Heiler hatten ein lebendes Gürteltier in einem Kasten ein gesperrt. Leider habe ich keine Ahnung wofür das gut sein soll.


Glücksbringer: Geld, Koffer und anderer Krimskram wird verkauft


Heiligenbilder sind natürlich auch mit von der Partie. Mit eingebauter Glühbirne. Kann also zu Hause in die Steckdose gesteckt werden.


Peruanische Palmzweige mit Christus


Frische Schlangenhäute zum einreiben. Das hat ehrlich gesagt ziemlich gestunken und ob hier das Washingtoner-Artenschutz-Abkommen eingehalten wird ist wohl eher fraglich.


Auf dem Weg vielleicht noch einen Schlüsselanhänger, mit Namen sofort zum mitnehmen?


Zurück in der Innenstadt treffen wir dann noch auf eine Prozession
des Señor de Milagros ("Herr der Wunder")

Und wir beenden unseren morgentlichen Ausflug im altehrwürdigen
Hotel Bolivar - in einer völlig anderen Welt


Besonders bemerkenswert ist die alte Glaskuppel


Zurück in Miraflores (Blick von meinem Balkon)


Ein schöner "Ausflug". Ich liebe diese Menschenansammlungen zwischen Kirchenprozession- und Jahrmarkt-Stimmung. Ich könnte mich Stunden einfach nur hinsetzen und mir die Menschen angucken, die Vielfalt, der Einfallsreichtum, das Improvisieren, das Chaos. Viel lebendiger und authentischer als die ganzen pitucus (Bezeichnung für die affektierte Oberschicht in Lima) in Miraflores und nichts desto trotz kehre ich gerne in mein kleines Luxusreich, dem grünen Stadtviertel von Lima zurück.

Donnerstag, 20. März 2008

„ Das sind ja peruanische Verhältnisse….“

…..habe ich in Deutschland beim Taxifahren ausgerufen.

Wenn man so weit weg von seinem eigenen Land, zudem in einer fremden Kultur verweilt, kommt man gelegentlich schon zu der Ansicht das in Deutschland alles besser funktioniert. In Deutschland angelangt konnte ich mich allerdings dann vom Gegenteil überzeugen bzw. meine leicht verklärte Vorstellung mal wieder etwas zurecht rücken.

Während in Lima Taxi fahren zu meinen alltäglichen Gewohnheiten gehört, da das Taxi fahren immer noch billiger ist als bei uns eine Busfahrt, ist Taxi fahren natürlich in Deutschland purer Luxus und wird nur in besonderen Fällen genutzt. Die Strecke die ich fast täglich für ca. 1,80 EUR zurücklege würde mich in Deutschland locker 20 EUR kosten. Allerdings muss man auch bei der Ausstattung des Autos einige Abstriche machen. Alles was irgendwie noch fährt kann sich hier als Taxi bezeichnen. Und es gibt bestimmte Regeln die man einhalten sollte.

Regel Nr. 1 Der Fahrgast ist für den Weg verantwortlich. Man sollte also nie in ein Taxi steigen ohne nicht einen „Punto de Referencia“ zu haben, wo man eigentlich hin möchte. Das ist als Neueinsteiger in einer Stand natürlich schwer, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.

Regel Nr. 2 Der Fahrgast hat Kleingeld zu haben oder muss einen Umweg zum wechseln ohne murren in Kauf nehmen. Definitiv besteht kein Recht darauf dass der Taxifahrer auch nur einen einzigen Sol bei sich hat. Also selbst wenn man mit 10 Soles seinen Weg von 5 zahlen möchte, kann das schon mal unmöglich sein.

Und in Deutschland?
Da ist natürlich alles anders, habe ich mir gedacht.

BIO FACH, Nürnberg. Ich nehme abends – nach einem super langen Tag – ein Taxi. Und ich kann es kaum glauben: Der Taxifahrer weiß den Weg nicht. Ich kann nur lachen und sage „Das sind ja peruanische Verhältnisse“. Immerhin gibt es in diesem Taxi ein GPS, das er nach etwas Überzeugungsarbeit auch an macht, denn ich kenne den Weg auch nicht. Ich erkläre dem Fahrer das ich in Peru mit dem Taxifahrer immer einen Festpreis vor der Fahrt verhandele, da ist es mir – außer wenn ich es eilig habe – eigentlich egal ob er den direkten Weg fährt oder einen Umweg, nur in einem deutschen Taxi würde ich schon ganz gerne schnellstmöglich zum Ziel kommen, läuft doch der Taximeter doch bei jedem Meter und jede Minute weiter.

5 Tage später - letzter Tag der BIO FACH, wir – ich und meinen drei peruanischen Kollegen - reisen mit Sack und Pack wieder ab. Das Taxi kommt an und das erste was die Taxifahrerin sagt: „ Ich habe kein Wechselgeld. Ich kann nur mit 20 EUR rausgeben, wenn Sie kein Kleingeld haben muss ich ein anderes Taxi rufen“. Ich muss wieder lachen, übersetze meinen Kollegen was mich so erheitert und muss auch hier ausrufen: „Das sind ja peruanische Verhältnisse“. Aber was mich am meisten erheitert ist die Servicetreue der deutschen Taxifahrerin, wenn sie kein Kleingeld hat sagt man das vorher und bietet ein neues Taxi an. Das wäre einem peruanischen Taxifahrer nie eingefallen und wenn es 10 Minuten mehr kostet um irgendwo Geld zu wechseln, eine Einnahmequelle lehnt man doch nicht ab? Dafür wird sich auf dem Weg schon eine Lösung finden. Und eigentlich ist es ja auch immer so.

Es gibt für alles eine Lösung nur der Deutsche will sie vorher dem Peruaner reicht es auch unterwegs…

Samstag, 1. März 2008

Zwischen den Welten

Ankunft Frankfurt, Deutschland
08. Februar 2008
Nach 24 Stunden Reisezeit endlich angekommen, endlich nach zwei Nachtflügen. Endlich angekommen in meinem Land! Jetzt noch durch die Migration, ich kann mich an der kurzen Schlage für EU-Bürger anstellen, der Beamte guckt nur einmal kurz in den Pass und winkt mich durch. Und schon fange ich an Deutschland mit Peru zu vergleichen: In Peru in der Migration habe ich jedes Mal das unbestimmte Gefühl ich habe ein Formular vergessen und gleich geht die Diskussion um irgendeine Lappalie los.

Weiter geht`s, das Gepäck kommt nach ein bisschen warten. Auf dem Weg zum Fernbahnhof fragt mich eine junge Frau die Kreditkarten verkaufen möchte: „Wohnen Sie in Deutschland?“ Völlig übermüdet kann ich dies mit gutem Gewissen und ein wenig Stolz verneinen, denn mein Wohnsitz ist derzeit Peru und so werde ich auch nicht weiter mit Kreditkarten belästigt. Welch Glück.

Der Zug kommt pünktlich und jemand hilft mir auf Nachfrage mit dem Gepäck welches aus einem Koffer und einer nicht ganz leichten Alukiste besteht. Aus dem ICE betrachte ich die Felder die noch mit Raureif bedeckt sind auch wenn noch alles kahl ist, glitzert es im morgentlichen Sonnenlicht. Ich komme an einem Sonnentag an. Es ist schön anzukommen, alles zu vertraut, so leicht. Am Flughafen und auch in der Bahn habe ich mir vorgestellt wie meine Kollegen wohl Deutschland wahrnehmen wenn sie in einer Woche ankommen. Dieser riesige Flughafen in Frankfurt, der ICE, die Landschaft, die Ruhe auf den Bahnhöfen, die lautlose Bahn, die deutschen die lautlos in die Bahn einsteigen, lauter Geschäftsleute im Anzug die telefonieren – fühlt sich an wie Leben im Wattebausch, alles ein bisschen gedämpft. Und in Peru? Fährt man Bis und wird mit allerlei Arten von Filmen zugemüllt - inhaltlich und geräuschmässig. Keiner beschwert sich über die Lautstärke, keiner schreitet ein wenn die Filme gewalttätig sind und Kinder mit im Bus sitzen. Das empfinde ich so häufig als phlegmatische. Dieses hinnehmen, sich für nichts einsetzten, sich seinem Schicksal hingeben spiegelt sich leider auch in einem Grossteil der Gesellschaft wieder.

Die nächsten zwei Wochen besuche ich Hinz und Hunz, "Pisco Sour" (Nationalgetränk der Peruaner bestehend aus einem Grappa dem eingentlichen Pisco, Limettensaft, Zucker und Eiweiss) mit original peruanischen Zutaten werden getrunken mir werden stolz neu erworbene Häuser, Eigentumswohnungen und Büros sowie Familienzuwächse Kinder und Hunde vorgestellt. Ich sitze im Februar im Biergarten bei fantastischem Sonnenschein, fahre Fahrrad am Rhein entlang, welch großes Glück. Frühlingsgefühl. Glück, Glück. Fahrrad fahren macht glücklich!!!!!!!!!!!!! Die BIO FACH dann noch im Schnelldurchlauf und schon geht es wieder zurück. Am letzten Abend sitzen wir in der Küche und wir fragen uns ob es wahr ist, dass ich morgen früh schon fahre oder ob ich nicht gerade erst angekommen bin? Es ist wie am ersten Tag wir essen gemeinsam und klönen nur das sich in der Zwischenzeit schon wieder fast ein ganzer Monat einfach mal so eben gelebt hat mit begrüßen, verabschieden, ankommen, wegfahren, begegnen, umarmen, los lassen, lachen, reisen, Gesprächen und arbeiten.

Ankunft Lima, Perú
01. März 2008

Nach 24 Stunden-Rückreise komme ich um 2.30 morgens aus dem Flughafen in Lima: 20 Grad, Sommerlüftchen, eine Taxifahrt am Meer entlang nach Hause, Dusche, Bett, schlafen. Morgens aufstehen, Sachen auspacken, 2kg Schokolade im Kühlschrank verstauen, Brötchen holen, das Veedel begrüßt mich hier und da mit einem „Hola señorita, wir dachten schon sie kommen gar nicht wieder, wir haben ihr lachen vermisst“, mit den beiden Praktikantinnen die meine Wohnung gehütet haben erstmal Frühstücken, auf dem Bio-Markt einkaufen, Spaziergang am Meer, Ceviche essen… so rinnt der Tag dahin und es fühlt sich ganz normal an, kein bisschen fremd. Das Leben zwischen den Welten, zwischen den Kulturen macht immer noch Spaß, immer wieder, immer mehr.

Häufig gestellte Fragen

FREQUENTLY ASKED QUESTIONS (FAQ)
IN DEUTSCHLAND


Wie hoch liegt Lima, ist das nicht die höchst gelegene Hauptstadt der Welt?
Nein, Lima liegt 30 Meter über dem Meer. Da dies aber ein verbreiteter Irrglaube ist kann ich mir dies nur so erklären, dass man mit Peru direkt die Anden assoziiert und vielleicht an La Paz den Regierungssitz Boliviens
denkt. Den La Paz liegt tatsächlich auf 4100 m.

Kann man in Peru leben?
Das wurde ich dieses mal sehr häufig gefragt. Erst bin ich immer ein wenig verdutzt und denke JA ganz offensichtlich weil ich lebe da ja seit 1,5 Jahren. Aber dann erinnere ich mich wieder das auch ich vor der Ausreise über diese Stadt so meine Zweifel hatte: Ist die Stadt sicher? Kann ich abends alleine auf die Strasse gehen? Und merke wie sehr ich mich an dieses Leben in der Großstadt gewöhnt habe und wie sicher ich mich hier auch fühle. Ja, man kann in Lima leben, sogar sehr gut, nur auf das Fahrrad fahren muss ich schweren Herzens verzichten, die Stadt ist ein Moloch mit zu vielen Autos, Busse die nie einen TÜV gesehen haben. Dafür hat man ein reiches kulinarisches Angebot, selbst ein Hefe-Weizen kann ich im Wong kaufen und auch das kulturelle Angebot ist groß.

FREQUENTLY ASKED QUESTIONS (FAQ)
IN PERU

Was machst Du denn am Wochenende?
Für einen Peruaner unvorstellbar? Ich bin 10.000 km von zu Hause entfernt, unverheiratet und habe hier auch keine Verwandtschaft? Was macht man dann bloß am Wochenende? Denn die Freizeitaktivität Nr. 1 vieler Peruaner am Wochenende heißt Familienbesuch. Einen Fernseher besitze ich auch nicht.

Und was mache ich? Das was ich in Deutschland auch mache: lesen, Freunde treffen, essen, kochen, schlafen, raus fahren, auf dem Bio Markt einkaufen, am Meer spazieren gehen (das geht in Deutschland leider selten), Museum, Theater, Kino, Konzerte, manchmal auch arbeiten (*snief), genießen.….

Die klassischen Fragen des "Taxi-Talk": Gefällt dir Peru? Warst Du schon in Machu Pichu? Und gleich danach wird nach dem peruanischem Essen gefragt: Hast du schon Ceviche probiert und Pisco Sour getrunken?
Machu Pichu, Ceviche (Ceviche ist das Nationalgericht der Peruaner aus mit Limettensaft übertröpfeltem rohen Fisch mit Chili und viel Zwiebeln gewürzt, als Beilage gibt es Mais und Kamotte (Süßkartoffel) und Pisco Sour sind sozusagen der Nationalstolz. Ehrlich gesagt bin ich heute auch direkt Ceviche essen gegangen, sozusagen der Inbegriff für peruanischen Sommer. Und morgen gibt es das gleich noch mal!! Lecker, lecker, lecker.

Wie viel verdienst Du?
Eine Frage die sich mit einem peruanischem Freund inzwischen zum "running Gag" entwickelt hat. Ich sitze mit einer gemischten deutsch-peruanischen Gruppe am Frühstückstisch, mitten im Gespräch fragt mich Manuel: "Jutta wie viel verdienst Du eigentlich?" Ich bin ehrlich gesagt irritiert denn das ist nun wirklich eine Frage die man in Deutschland nur ganz guten Freunden stellt und schon gar nicht in einer Gruppe. In Peru hin gegen ist dies eine völlig normale Frage und bedarf keines längeren Vertrauensaufbau. Ich habe es natürlich nicht verraten :-). Noch nicht! Vielleicht in 7 Jahren?